Stornobedingungen 2021 – verloren im Kleingedruckten
Stornoregeln als Hotel lockern, ist schwerer als gedacht
Ein Hinweis vorweg: Nein, dieser Beitrag ist kein Aprilscherz. Die Geschichte ist zwar kurios, aber leider wahr. Meine Urlaubsbuchung geriet unfreiwillig zum Elchtest für unglückliche Stornoregel-Kommunikation – verloren im Kleingedruckten.
Die Bedeutung von lockeren Stornoregeln in Pandemiezeiten
Alle Umfragen unter reisewilligen Gästen zeigen dasselbe Ergebnis: Wichtigstes Kriterium bei der Buchung für den Corona-Sommer 2021 ist die Möglichkeit, kostenlos stornieren zu können – einfach und unkompliziert – am besten online. Eine repräsentative Studie zu Reisen in Krisenzeiten, vorgestellt von Travelzoo auf ITB Berlin NOW (03/2021), schreibt:
„Am wichtigsten ist es den Kunden, dass es kurz vor Reisebeginn möglich ist, umzubuchen oder Geld zurück zu bekommen.“
Die große Bedeutung von lockeren Stornoregeln in Pandemiezeiten kündigte sich schon im letzten Sommer an, wie in meinem Artikel Sommerbuchungen mit lockeren Stornoregeln erleichtern von vor einem Jahr nachzulesen.
Sogar Reiseveranstalter, die jahrelang eher harte Stornobedingungen eisern verteidigt hatten, unterbieten sich derzeit mit Lockerungen. Dem Urlaubsportal HolidayCheck ist diese Übersicht entnommen:
Unterkünfte haben ebenfalls die Flucht nach vorne angetreten und bieten reihenweise für den Gast günstige Stornobedingungen. Selbst in alpinen Destinationen wo vor Corona oft noch ein oder sogar drei Monate vor Anreise für eine kostenlose Stornierung galten, wird jetzt mit vierzehn, sieben oder sogar zwei Tagen geworben.
Urlaubsbuchung ist Vertrauenssache
Ich mache den (freiwilligen) Praxistest und buche meinen Sommerurlaub online auf der Webseite einer Destination in Österreich. Das Ergebnis vorab: Eine gut gemeinte Marketingaussage verliert sich in den Untiefen des Kleingedruckten. Im Laufe meiner Buchungsabwicklung treffe ich auf vier(!) verschieden Regulierungen, alle in Zusammenhang mit meiner Buchung.
Es geht mir dabei gar nicht darum, welche der Regelungen am Ende rechtlich wirklich gilt,
es geht einzig um Vertrauen.
Wer im Sommer 2021 es nicht schafft, dem verunsicherten Urlaubsgast vertrauensvoll zu begegnen, hat schlechte Karten.
Stornobedingungen – die Tücke steckt im Detail
Jetzt aber zur (un)freiwilligen Fallstudie: Vier verschiedene Stornobedingungen in einer Buchung, hier im chronologischen Ablauf:
- Unterkunftsergebnisseite
Die Unterkunftssuche bietet eine Filtermöglichkeit für „Echt.sicher Urlaubsbuchung ohne Risiko“. Ein attraktiv gestaltetes Label scheint im Vorschaubild der teilnehmenden Unterkünfte auf. Die stilisierte Hand empfängt ein Geldstück – was wohl „Geld-zurück“ symbolisieren soll. Konkrete Bedingungen sind hier noch nicht einsehbar.
- Unterkunftsdetailseite
Auf der Unterkunftsdetailseite lese ich „kostenlos stornierbar“, bei Klick aufs Info-i bei den Preisdetails wird konkret das Datum aufgelistet, bis zu dem ein kostenloser Rücktritt möglich ist. Es sind sieben Tage, danach gelten 70% des Urlaubspreises als Stornogebühr.
- Check-out-Seite
Ich lege das Appartement in den Warenkorb und komme zum Check-out. Auf der Übersichtsseite sind nochmals dieselben Stornobedingungen (kostenlos bis sieben Tage) aufgelistet – soweit so gut.
Nach Eingabe aller persönlichen Daten folgt der rechtliche Betätigungsteil. Hier sind drei verschiedene Bedingungen zu akzeptieren.
- Stonoregeln des Unterkunftsvermittlers
Hinter Storno des Betreibers der Webseite, also des örtlichen Tourismusverbandes, verbirgt sich als Regel kostenlos bis 30 Tage vor Anreise, danach 30%. Also schon mal drei Wochen kürzer kostenlos als bei der Regel auf der Unterkunftsdetailseite. Am Rande: Nach meinem Verständnis agiert die Destination hier als Vermittler einer Unterkunft, weswegen die erwähnten „Allgemeinen Reisebedingungen (ARB 1992)“ fehl am Platz sind, da diese für Veranstalter geschrieben wurden.
- AGB der Destination
Als zweiter Bedingungs-Teil sind noch AGB der Destination aufgeführt. Hier sind die kompletten ÖSTERREICHISCHEN HOTELVERTRAGSBEDINGUNGEN (ÖHVB) eingestellt – allerdings in einer nicht mehr aktuellen Version von 1981 (vierzig Jahre alt!). Unter § 5 lese ich: kostenlos bis drei Monate vor Reiseantritt, dann werden Stornogebühren im Ausmaß des Zimmerpreises für drei Tage fällig. Kurios.
- AGB des Hotels
Zuletzt sind auch noch AGB des Hotels anklickbar. Hier hat der Betrieb die Österreichischen Hotelvertragsbedingungen in der Version 2006 angeführt. Die „aktuelleren“ AGBH sind übrigens auch schon fünfzehn Jahre alt. Demnach gilt: kostenloses Storno bis drei Monate vor Reiseantritt, dann 40% Stornokosten, usw.
- Buchungsbestätigung der Destination
Die per E-Mail zugestellte PDF-Buchungsbestätigung der Destination beinhaltet wieder die genauen Bedingungen mit bis sieben Tage vor Anreise kostenloser Stornomöglichkeit. Aber, weiter unten wird wieder auf die AGBH verweisen, immerhin relativiert mit einem Ausnahmenhalbsatz:
Sofern vom Leistungsträger/Vermieter keine eigenen Stornorichtlinien definiert wurden, gelten bei uns die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Hotellerie.
- Buchungsbestätigung des Hotels
Zu guter Letzt schickt mir die Unterkunft auch noch eine Buchungsbestätigung per Mail. Darin lese ich wieder den Hinweis auf die AGBH (kostenlos bis drei Monate, dann 40%), ergänzt um eine neue Klausel: Corona bedingt fallen keine Stornokosten an, wenn eine Reisewarnung gegenüber Österreich ausgesprochen wird.
Nach 7 Tage/70%, ÖHVB (drei Monate/3 Nächte) und AGBH (drei Monate/40%) jetzt die inzwischen vierte Variante für Stornierungsregeln zu meinem Urlaub: AGBH mit Ausnahme Reisewarnung – was außerhalb von Veranstalterreisen sonst keine Selbstverständlichkeit wäre.
Was gilt jetzt?
Der bewanderte Hobbyjurist würde argumentieren, klar, Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) heißen „allgemein“, weil sie keine Sonderfälle abdecken. Im Zweifelsfall gehen speziellere Regelungen vor. Aber:
Bei der Urlaubsbuchung 2021 geht es nicht um den Zweifelsfall, sondern um Klarheit.
Wenn der Bucher auch nur den kleinsten Anlass für Unsicherheit bekommt, ist der Buchungsabschluss gefährdet.
OK, viele Käufer/Bucher im Internet übergehen das Kleingedruckte im Kaufabschluss. Vielleicht liegt es nur in meine Neugier für das Thema, dass ich überhaupt die drei aufgeführten Bedingungen vor Buchungsabschluss geöffnet habe? Aber unterschätzen Sie Ihre Gäste nicht. Wer vielleicht bei der Rückerstattung von Flugtickets im letzten Jahr böse Erfahrungen gemacht hat, ist extravorsichtig und schaut genau auf alles Kleingedruckte.
Empfehlungen
Was lernen wir aus diesem Fall? Hier die wichtigsten Empfehlungen für Ihre Stornoregeln in Pandemie-Zeiten:
- Planen Sie Lockerungen der bisherigen Stornoregeln gründlich
- Planen Sie eine Befristung, bis zu welchem Anreisedatum (verlängern kann man immer noch)
- Denken Sie an die Anpassung des Kleingedruckten – überall
- Denken Sie auch an alle fremdsprachigen Webseiten und Buchungsbestätigungen
- Versuchen Sie die Konditionenpolitik (zu der auch Stornoregeln gehören) über verschieden Buchungswege einheitlich auszugestalten. Unterbieten Sie sich nicht auf Portalen! (mehr hier auf eCoach.at)
- Testen Sie die Buchung über verschiedene Wege
Übernehmen Sie Verantwortung für ein vertrauensstiftendes Buchungserlebnis Ihrer Gäste, sie werden es Ihnen danken.