Welche Gäste sind mehr wert?
Der Gästelebenszykluswert als Ziel im Tourismus
Das sind uns die die liebsten Gäste: ein Stammgast, der öfters im Jahr kommt, auch in der Nebensaison, der gerne alle Leistungen des Hauses nutzt, auch mal neue Gäste mitbringt und – wenn er schon online bucht – dann zumindest über die Hotel-Webseite. Für so einen Gast gibt man dann auch mal einen (Preis-)Vorteil und bemüht sich besonders um ihn. Er soll schließlich noch länger Stammgast bleiben.
Dieser Artikel ist der Versuch, diesen logischen Gedanken von Hoteliers in ein Konzept zu überführen. Mit diesem Ansatz könnte man in der Folge beispielsweise Vertriebskanäle danach beurteilen, welchen Typ Gast und welchen langfristigen Ertrag sie uns bringen.
Gästelebenszykluswert
Der Begriff Gästelebenszykluswert mag etwas sperrig klingen. Dafür kann sich Jeder der mal ein paar Vorlesungen Marketing gehört hat gleich darunter etwas vorstellen. Vom Kundenlebenszykluswert – oder englisch Customer Lifetime Value – kommt nämlich der Gedanke.
Ein einfaches Beispiel zur Erklärung: Warum gibt es beim Abschluss eines Zeitschriften-Abos ein Geschenk dazu, das den Wert mehrerer Monate des eigentlichen Abos übersteigt? Ganz einfach, weil die Abonnenten im Schnitt jahrelang Abonnenten bleiben, sich also die Anfangsinvestition aus Sicht des Anbieters lohnt. Errechnet wird das in der Kundenlebenszykluswertrechnung.
Gästelebenszykluswertrechnung
Der Gästelebenszykluswert (GLZW) wäre demnach das Produkt aus Empfehlungspotenzial und monetärem Ertrag pro Aufenthalt, über alle Aufenthalte gerechnet. Wer gerne Formeln mag:
GLZW = (EP*RevPS)*stays
Schauen wir uns die einzelnen Bestandteile der Rechnung genauer an …
Wie hoch ist das Empfehlungspotenzial?
Jede einzelne (gute) Onlinebewertung hat ihren Wert. Studien haben ergeben, dass je höher die Bewertungsnote, desto besser die Preisdurchsetzung. Wahrscheinlich wird ein Stammgast am Anfang seines Lebenszyklus einmal online bewerten und dann nicht mehr. Viel wichtiger ist aber sein Offline-Empfehlungsverhalten (ja, auch sowas gibt’s noch). Er erzählt am Arbeitsplatz, dass er wieder in dieses nette Hotel in dieser schönen Region fährt, wo er schon so oft war und gar nicht mehr woanders hin will. Das wirkt. Wenn ein Bucher auf zehn Aufenthalte einmal neue Gäste bringt (muss ja nicht zur selben Zeit sein), wäre der Empfehlungswert 1,1.
Wie hoch ist der Ertrag eines Aufenthalts?
Mit geht es um mehr als nur Größen aus der Buchhaltung. Den Wert eines Aufenthalts machen viele Faktoren aus:
- Zusatzverkauf (F&B, Erlebnisse, …)
- Zeit/Serviceaufwand um die Buchung abzuwickeln
- Provisionen an Portale
- Leerstand durch No-Shows (Opportunitätskosten)
- Nutzen durch langfristige Buchungen für Planungssicherheit/Auslastungssicherung
Hier – nur als Denkmodell – der Versuch einer stufenweisen Deckungsbeitragsrechnung pro Aufenthalt. Wo man sonst mit Betrachtungen pro Nacht rechnet, werfe ich die Idee einer Kalkulation pro Buchung ins Rennen. Der Kostenanteil von Aufwänden wie Check-In/Check-out und Bettenwechsel ist ja auch je nach Aufenthaltsdauer unterschiedlich hoch. Kurzaufenthalt-Buchungen werden dann nicht mehr kalkulatorisch begünstigt.
Endlich würden auch die Kosten von Vertriebsprovisionen für Buchungsportale wie Booking.com nicht irgendwo in den Fixkosten („übriger Betriebsaufwand“) verschwinden, sondern würden jedem Werbeweg entsprechend zugeschlüsselt. Weitergedacht kommt man so zu einer Deckungsbeitragsbetrachtung pro Werbeweg.
Was bleibt in der Region?
Auch aus Sicht einer Destination könnte man eine Was-bleibt-in-der-Regions-Rechnung je Nächtigungstyp aufmachen. Der Reisejournalist und gefragte Destinationsberater Doug Lansky stellte in seinem Vortrag auf der diesjährigen ITB in Berlin diese Vergleichsrechnung in den Raum:
Gast nächtigt in | Hotel einer internationalen Hotelkette | Privatunterkunft (via Airbnb) |
Nettoerlös | € 100 | € 100 |
Vertriebskosten (Abflüsse aus der Region hinaus) | 6-8 % an den Franchisegeber der Hotelkette und
15-20 % an ein Buchungsportal |
6-8 % an Airbnb |
Erlösanteil, der in der Destination bleibt | 60-80 % | 92-94 % (außer der Vermieter lebt nicht in der Region) |
Und auf einmal steht der Kanal Airbnb gar nicht mehr so negativ da. Noch besser sind natürlich Buchungen direkt beim Privatvermieter (auf seiner Webseite!). Problem ist hier eher der niedrige Preis in dieser Unterkunftskategorie. Aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel …
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